„And the winner is … das mBook.“

Das mBook des Instituts für digitales Lernen hat den eBook Award 2015 gewonnen, der auf der Frankfurter Buchmesse vergeben wird. Damit schließt sich für die Initiatoren und Mitarbeiter dieses Projekts zunächst ein Kreis, der von den ersten Projketideen, über deren Realisierung im Produkt und dessen Implementierung in den schulischen Alltag bis zur öffentlichen Anerkennung reicht. Im Frühjahr war das mBook bereits für den auf der Leipziger Buchmesse vergebenen Preis „Schulbuch des Jahres“ des Georg-Eckert-Instituts nominiert.

Innovation in Schulen ist möglich

Reflektiert man nun mit Blick auf die breite öffentliche Anerkennung des mBooks und seinen Erfolg bei Lehrern wie Schülern den Weg und die bestimmenden Faktoren dieses Projekts, lassen sich Schlüsse für die Zukunft ziehen.
Zum einen zeigt sich, wie groß das Bedürfnis nach einer Weiterentwicklung der Lehr- und Lernmittel auf allen Ebenen ist: Die Nutzer (Schüler und Lehrer) wollen Schulbücher, deren inhaltliche Argumentationen vom Paradigma der Kompetenzorientierung getragen werden. Sie wollen neue Fragen stellen und sich auf den Weg nach eigenen Erkenntnissen machen. Sie wollen die weitgehend anregungsfreien und herausforderungslosen, bis zum Überdruss bekannten Darstellungskonventionen analoger Schulbücher hinter sich lassen. Sie schätzen modernes Grafikdesign und digitale Arbeitsmittel. Sie suchen nach einer zeitgemäßen Medienpädagogik, die nicht im Trockenschwimmen schlecht gemachter ‚Internetführerscheine’ hängen bleibt, sondern es ermöglicht, den Umgang mit (digitalen) Medien an Inhalten zu erlernen und anzuwenden.

Alltagstauglichkeit statt Test-Projekte

Die Nutzer wollen endlich die Phase vereinzelter, zeitlich wie räumlich begrenzter Testmodule und Projektchen hinter sich lassen und alltagstaugliche, mit den Ausstattungssituationen der Schulen kompatible Leitmedien zum Einsatz bringen, die einen lehrplanbasierten Unterricht über ganze Schuljahre tragen.
Sie verlangen, dass Fachwissenschaftler, Bildungsforscher, Schulverwaltungen und Bildungsmedienproduzenten ihre geistige Kleinstaaterei aufgeben und endlich im Dienste der Unterrichts- und Schulentwicklung mit ihnen zusammenarbeiten. Statt sich klammheimlich von der Kompetenzorientierung zu verabschieden[1], sollten alle Beteiligten endlich die Chancen der digitalen Revolution sehen und anfangen, sie zu gestalten. Nur dann werden sie Erfolg haben – zusammen und jeder für sich.

mBook als Motor der Unterrichtsentwicklung

Die Forderungen von Lehrern und Schülern sind Teil der mBook-Konzeption und das Institut für digitales Lernen (IdL) hat sich auf den Weg gemacht, sie umzusetzen. Dabei behaupten wir nicht, das „ideale Schulbuch“ (J. Rüsen) entdeckt zu haben; worauf alle Autoren, Didaktiker, Layouter, Grafiker, Informatiker und Kommunikationsstrategen des IdL aber in der Tat stolz sein können ist, dass sie – gegen manchmal erhebliche Widerstände – erste Pfade gelegt haben, auf denen man weitergehen kann.
Die didaktischen Verbesserungen und Synergieeffekte, organisatorischen Erleichterungen und Hebelwirkungen des mBooks im Alltag sind groß. So reflektieren es Schüler und Lehrer. Nur drei Beispiele: Ein multimediales Schulbuchangebot zu haben, das reichlich Möglichkeiten für Erweiterungen und Vertiefungen bietet und die tagtägliche Jagd nach wenigstens halbwegs passenden Materialien sowie Projektions- und Halterungsgeräten im Schulalltag deutlich abmildert, schafft erhebliche organisatorische Erleichterungen. Darüber hinaus entstehen Verbesserungen und Synergieeffekte im Lernen: Bildliche und textliche Narrationen lassen sich miteinander vergleichen, Multiperspektivität kann endlich auch anhand des Lehr und Lernmaterials aufgezeigt werden, Auswahlentscheidungen werden transparent. Die Hebelwirkungen des mBooks sind ebenfalls deutlich zu sehen, etwa, wenn sich Schulen mit Fördervereinen und Schulträgern auf den Weg machen, technische Ausstattungen zu verbessern, weil sie jetzt wissen wofür.[2] Der umgekehrte Weg, erst Technik, dann die Frage nach dem Inhalt, ist sinnlos. Leider wurde gerade dieser Weg in der Vergangenheit nur all zu oft beschritten und das hat bei Lehrern und Schülern immer wieder zu Entmutigungen geführt und viele sinnvolle Ideen unnötig desavouiert.

Books in Browser als Zukunftsmodell

Die Jury des ebook-Awards weist auf die flexiblen Möglichkeiten der technischen Umsetzung des mBooks hin: „Basierend auf einem elaborierten didaktischen Konzept wurden die Lehrplan-Inhalte in textueller Darstellung zusammen mit multimedialen Ergänzungen, Lernmaterialien, Originalquellen und Arbeitsaufgaben kombiniert und über eine eigens entwickelte Web-Anwendung verfügbar gemacht.“[3] Der Books-in-Browser-Ansatz ist gerade für die Schulen eine attraktive Möglichkeit, trotz unterschiedlicher technischer Voraussetzungen die digitale Welt sinnvoll zu nutzen. Es braucht keine speziellen Lesegeräte, Softwarevoraussetzungen oder Gerätetypen. Das mBook funktioniert auf jedem Gerät, das über einen Browser verfügt. Es lässt sich online und offline nutzen. Es bietet ideale Möglichkeiten zur Integration unterschiedlicher medialer Narrationen und lässt sich mit Blick auf die Handhabung so niedrigschwellig gestalten, dass technikfernere Nutzer sehr schnell dazu bewogen werden können, es in ihre Arbeitsvorgänge zu integrieren.
Dieser technische Ansatz ist nicht zuletzt für die Buchbranche insgesamt attraktiv. Auch größere Publikumsverlage kämpfen nicht selten mit ähnlichen oder sogar mit den gleichen Problemen wie die Schulen. Noch Ende des letzten Jahres konnte man von Kollegen während der E‑publish auf die Frage, warum der Books-in-Browser-Ansatz angesichts der vielfältigen ästhetischen Einschränkungen und Kompatibilitätsprobleme im E‑Reader-Bereich nicht viel offensiver genutzt wird, die verwirrte Antwort bekommen: „Ja, aber dann ist es ja kein Buch mehr.“ Nur, so meine Nachfragen: Ist es wirklich notwendig, analoge Standards der Buchdefinition mit digitalen Mitteln nachzubilden? Warum und für wen sollte man das machen? Und ist dieses Festhalten an analogen Standards tatsächlich die Grundlage für bessere Geschäfte in der (digitalen) Buchbranche?

Fazit: Die digitale Buchwelt erfordert ernsthafte Reformen in der Organisation von Buchproduktion und ‑implementierung

Einige Kollegen der Buchbranche diskutierten während der letzten E‑publish in Berlin die Frage, ob man den Absatz digitaler Bücher nicht mit traditionellen Werbemaßnahmen ankurbeln könnte. So wurde u.a. auch ein Button ins Spiel gebracht, der die Botschaft „Content inside“ an die Leser bringen sollte.[4]
So merkwürdig solche Ideen zunächst erscheinen, sie verweisen auf ein Problem, das nicht nur der Schulbuchbereich hat: das sektorale Denken. Die Bereiche Inhaltsproduktion, Vertrieb, Werbung und Kundenbetreuung arbeiten strukturell nicht so konsequent und dauerhaft zusammen wie es nötig wäre, um bleibenden Markterfolg zu haben.
Digitalität ist jedoch nicht nur eine Technik, die für jeden Beteiligten bestimmte Änderungen an Arbeitsmitteln und Arbeitsweisen hervorbringt; Digitalität führt zu einer Revolution all unserer Lebensvollzüge. Und diese Revolution bringt es mit sich, dass die Medienwelt vernetzter, kommunikativer, synergetischer, kollektiver, transparenter und direkter wird. Daraus folgt, dass der Kontakt von Autoren, Verlagsmitarbeitern, Buchhändlern und Nutzern enger sein muss und jeder für den Bereich des anderen mitverantwortlich ist. Insbesondere im Schulbuchbereich sollten die Akteure sich noch klarer machen, dass „eine kundenorientierte Produktentwicklung und Marktbearbeitung […] in dynamischen Käufermärkten eine Selbstverständlichkeit“ werden muss. „Dies reflektieren auch einschlägige Entwicklungsmethoden wie das Design Thinking und der Human Centered Design Process. Im Kontext der Digitalisierung von Medienprodukten rückt angesichts der verhaltenen Zahlungsbereitschaft ein Teilaspekt in der Vordergrund: der (wahrgenommene) Produktnutzen. Nur wenn der Produktnutzen höher als bei kostenlosen Angeboten wahrgenommen wird, entsteht eine Zahlungsbereitschaft.“[5]
Medienkonvergenz ist eben keine technische Frage allein, sie hat erhebliche Wirkungen auf Produktionsorganisation, Berufsfelddefinition und Medienkommunikation. In die Arbeit am mBook-Projekt des Instituts für digitales Lernen sind viele dieser Aspekte bereits einbezogen worden, und deshalb ist es so innovativ.

[1] Hellmuth, Thomas: Über Kompetenzen – oder doch eher: Wie wär’s mit Bildung?, in: Public History Weekly 3 (2015) 27, DOI:dx.doi.org/10.1515/phw-2015 – 4536.
[2] Siehe dazu etwa folgende Informationen: http://xn--institut-fr-digitales-lernen-b7c.de/startseite/presse/ [18.10.2015] sowie Marcus Ventzke und Bernadette Thielen, NRW 4.0: Entwicklung und Erprobung digitaler Schulbücher – Das Beispiel mBook NRW, in: Schule NRW. Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, 67 Jg., Nr. 3 (2015), S. 113 – 115.
[3] http://www.buchreport.de/nachrichten/online/online_nachricht/datum/2015/10/15/digitale-impulse-kommen-von-aussen.htm [17.10.2015].
[4] http://www.swop-exchange.de/konferenzen/epublish-2014/kongress/programm.html?programmid=602 [18.10.2015].
[5] Okke Schlüter, WS-04 Benefit Publishing – Letztlich verlegen wir Kundennutzen (E‑Publish 2014, 06.11.2014, in: http://www.swop-exchange.de/konferenzen/epublish-2014/kongress/programm.html?programmid=591 [18.10.2015].

Berichterstattung

https://www.donaukurier.de/lokales/kurzmeldungen/eichstaett/Eichstaett-E-Book-Award-geht-nach-Eichstaett;art74356,3135048

https://www.buchreport.de/nachrichten/online/online_nachricht/datum/2015/10/15/digitale-impulse-kommen-von-aussen.html

http://www.boersenblatt.net/artikel-elektronisches_auf_der_buchmesse.1037239.html

http://www.ku.de/presse/pi/einzelansicht/article/mbook-geschichte-erhaelt-deutschen-ebook-award/

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