Jens Schunke-Galley, Fachleiter Geschichte an der Deutschen Schule in Rio des Janeiro, über den Deutschen Schulpreis und das mBook Geschichte

Im Rahmen der Verleihung des Deutschen Schulpreises an die Deutsche Schule in Rio de Janeiro hat uns Jens Schunke-Galley, der Fachleiter Geschichte dieser Schule, über seine Arbeit, den Schulpreis und das mBook im alltäglichen Einsatz Auskunft gegeben. Seine differenzierte Sichtweise auf den Erfolg der eigenen Schule hat uns imponiert. Daher veröffentlichen wir hier das Interview.

1. Was hat die Jury des diesjährigen Deutschen Schulpreises an Ihrer Schule überzeugt?

Die Jury bewertet sechs Bereiche: Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulleben und Schule als lernende Institution. Was schlussendlich die Jury überzeugt hat, kann ich nicht sagen. Die Deutsche Schule Rio de Janeiro ist eine Privatschule und verfügt demnach, im Vergleich zu einer ganz normalen Schule in Deutschland, über nicht unmaßgebliche quantitative Ressourcen und Möglichkeiten. Hinzu kommt die finanzielle Beteiligung des Bundesverwaltungsamtes für deutsche Fachlehrerinnen und ‑lehrer. Allein 40 Mitarbeiter arbeiten in der Verwaltung. Es gibt Inspektoren auf den Gängen. Das Lehrpersonal erhält organisatorische und materialtechnische Unterstützung. Es gibt einen schuleigenen Copyshop und eine eigene Marketingabteilung. Weiterhin unterstützen Erziehungsberater im Kindergarten, in der Grundschule sowie in der Sekundarstufe I und II die sozialpädagogische Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Einige Inklusionskinder haben jeden Tag ein bis zwei eigene Betreuungspersonen an ihrer Seite. Dies sind ideale Bedingungen, von denen viele Schulleiter in Deutschland nur träumen können. Mir ist nicht ganz transparent, auf welche Weise diese Rahmenbedingungen in das Verfahren zur Vergabe des Deutschen Schulpreises eingegangen sind.

2. Welche Kernidee von Schule liegt der Deutschen Schule in Rio zugrunde?

Hierzu hat sich unsere derzeitige Schulleiterin, Frau Anke Junge-Ehmke, bei der Preisverleihung ganz klar geäußert. Die größte Herausforderung an der Escola Alemã Corcovado ist es, zwei unterschiedliche Bildungssysteme mit unterschiedlichen Kulturen und gesellschaftlichen Gegebenheiten jeden Tag miteinander zu verbinden und dabei die sehr unterschiedlichen Interessen und Ziele aller Beteiligten zu berücksichtigen. Dies wird in dem Begriff “Begegnung” vereint. Die Deutsche Schule ist als Privatschule ein Wirtschaftsunternehmen. Das Produkt heißt “Bildung”.

3. Wie passt das mBook zu Ihrer Idee von Schule?

Die Schülerinnen und Schüler an der Deutschen Schule Rio de Janeiro sind ausschließlich Nichtmuttersprachler. Es gibt nur wenige deutschsprachige Lehrerkinder und diese sind nicht in allen Klassen vertreten. Es ist sehr schwer, ein geeignetes Geschichtsbuch für diese Schüler zu finden und somit sucht man nach Alternativen. Ich verwende in meinem Geschichtsunterricht eigene iBooks, welche ich mit iBooks Author für meine Lerngruppen erstelle. Oder ich konzipiere unter dem Aspekt ‘Deutsch als Fremdsprache’ im Fachunterricht eigene iTunes-U-Kurse. Damit bin ich an unserer Schule aber allein.

Die Deutsche Schule Rio de Janeiro verfügt über ein entsprechendes W‑LAN-Netz und hat schuleigene iPads und Laptops. Die meisten Schülerinnen und Schüler haben eigene Smartphones. Schon die Erstklässler haben oftmals ein Smartphone. Damit haben wir sehr gute technische Voraussetzungen. Wir haben in jedem Klassenraum Smartboards. Aber warum sollte ich ein Smartboard mit einen dazugehörenden Lehrer-PC verwenden, wenn der Rest der Klasse zuschauen muss und immer nur einer aktiv sein kann? In den vergangenen zwei Jahren wurden überwiegend alle Klassen mit Apple TV ausgestattet, HDMI-Beamer waren durch die Smartboards schon vorhanden. Damit ergibt sich aus meiner Sicht zwangsläufig die Anbindung an ein digitales Lehrbuch.

Das mBook Schule für das Fach Geschichte ist deshalb sehr gut geeignet, weil es durch seine Materialien verschiedene Lerntypen über vielfältige Eingangskanäle bedient. Somit können die Schülerinnen und Schüler Texte im mBook Geschichte direkt bearbeiten, Notizen anfertigen und daraus die Inhalte in eigenen Dokumenten weiter bearbeiten. Audios und Video-Tutorials komplettieren diesen Ansatz. Alle Inhalte können von den Schülerinnen und Schülern in anderen Applikationen, wie Pages, Keynote, Explain Everthing oder iMovie weiterverarbeitet werden. Das mBook ist mit jedem Endgerät und System nutzbar. Somit können die Schülerinnen und Schüler mit ihren eigenen oder Schulgeräten arbeiten. Sie müssen kein schweres Lehrbuch mehr von A nach B auf dem Rücken tragen, sondern haben ihr mBook Geschichte immer in der Hosentasche auf ihrem Smartphone griffbereit. Das mBook umfasst im Wesentlichen den kompletten Stoff von der 5. bis zur 12. Klasse. Dies ist im Schulalltag sehr praktisch. Die implementierten Methodenkapitel und das Glossar vervollständigen den Geschichtsunterricht. Sie machen das mBook zu einem ernstzunehmenden Produkt auf dem Markt der Geschichtslehrbuchproduzenten in Deutschland.

Allerdings ist der Einsatz des mBooks meiner Meinung nach nicht für einen lehrerzentrierten Unterricht bestimmt. Darüber sollte sich jeder Fachlehrer im Vorfeld bewusst sein. Nur eine schülerorientierte, auf Selbstbestimmung zielende, offene Lernkultur ermöglicht die vollständige Ausnutzung der Potentiale und Möglichkeiten des mBooks im Geschichtsunterricht.

Jens Schunke-Galley
(Fachleiter Geschichte an der Deutschen Schule Escola Alemã Corcovado in Rio de Janeiro, 03. Juni 2017)

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