Publizieren wissenschaftlicher Arbeiten — von den Grenzen des Analogen und den Potentialen des Digitalen.

Gerade habe ich meine Doktorarbeit mit dem Titel “Das multimediale Schulbuch (mBook) — von der Theorie in die Praxis:
Konzeption, Produktion und empirische Überprüfung eines multimedialen Geschichtsschulbuchs” abgeschlossen.
Und jetzt stehe ich, welch impertinente ‘Überraschung’, vor dem gleichen Problem wie Generationen von Doktoranden vor mir: ohne Publikation kein schicker Titel.

Um diese, den Doktoranden schwer belastende Tatsache herum hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Verlagsindustrie gebildet, die mit dieser letzten Hürde vor der wissenschaftlichen Weihe Geld verdient. Die Angebote reichen von renommiert (De Gruyter etc.) bis belächelt (Shaker Verlag etc.). Der Verlag übernimmt dabei Druck und Vertrieb der Bücher. Soviel zu den Vorteilen.
Die Liste der Einschränkungen und Nachteile dieses Systems liest sich (in der Regel) deutlich länger.

Der Verlag

  •  kümmert sich nicht um den Satz,
  • führt kein Lektorat durch,
  • begutachtet den Inhalt nicht,
  • druckt normalerweise nur sehr kleine Auflagen (um die 150 Stück),
  • verlangt einen hohen Druckkostenzuschuss (etwa 1.000 – 4.000€),
  • sichert sich exklusive Rechte am Werk,
  • führt kaum oder keine Werbemaßnahmen durch.

Also zusammenfassend: Als Autor schreibt, setzt und redigiert man, bezahlt dann einen vierstelligen Betrag, um daraufhin so gut wie keine Reichweite oder Sichtbarkeit zu bekommen und muss im Anschluss (meist erfolglos) betteln, wenn man einen Auszug seines eigenen Werks an einer anderen Stelle veröffentlichen möchte.
Da drängt sich die Frage auf, warum dieses System immer noch funktioniert, und warum nicht fast alle Doktoranden ihr Werk kostenlos (sogar mit einer Option auf Gewinn statt garantiertem Verlust), einfach, schnell und mit potentiell sehr hoher Reichweite online publizieren.

Meine Antwort darauf: anachronistische Sentimentalitäten mit einer ordentlichen Prise Standesdünkel. Frei nach dem Motto: “Ich möchte mein Werk aber im (meist sehr lieblos gestalteten) Umschlag eines renommierten Verlags sehen. Das hebt mein Prestige als Wissenschaftler”.

Diese Antwort (und welch andere Antwort könnte es mit Blick auf die Nachteile sonst noch geben?) spiegelt sehr deutlich die Rückständigkeit unserer Bildungs- und Wissenschaftslandschaft wieder. Nicht Inhalte, sondern die Tradition von Anstalten und die Abzeichen von Eliten zeugen von ‘Qualität’.

Die oben beschriebene ‘Veröffentlichungsstrategie’ findet man auch bei der Publikation von Forschungsergebnissen, zum Beispiel in DFG-Projekten etc. Die Ergebnisse sollen nach Vorgaben der Drittmittelgeber oftmals ohne Login und Kosten (Open Access) der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Nichts leichter als das, würde man denken. Man lade die PDF oder das ePub einfach auf die Projektseite und schon ist die Open-Access-Publikation getätigt.

Alternativ könnte man sich auch an einen Verlag wenden, der dann in etwa folgende Argumentation vorlegt:
“Wenn das Werk Open Access angeboten werden soll, dann verkaufen wir natürlich kaum mehr oder sogar keine gedruckten Bücher mehr. Das bedeutet, dass der ‘Druckkostenzuschuss’ noch einmal deutlich höher ausfallen muss. Wir bieten dafür eine PDF auf der Seite unseres Verlages, die leider einen deutlich 4‑stelligen Betrag als ‘Druckkostenzuschuss’ erforderlich macht. Satz und Redaktion sind selbstverständlich vom Auftraggeber zu übernehmen.”

Es bleibt zu hoffen, dass diese Logiken bald von allen Beteiligten als das erkannt werden, was sie sind: teuere und anachronistische Denkweisen aus einem vergangenem Jahrtausend.
Die durch ein Umdenken frei werdenden Ressourcen könnten in einem weiteren Schritt möglicherweise sogar sinnvoll für zum Beispiel wissenschaftliche Nachwuchsförderung genutzt werden.

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